Gelesen: Houellebecqs „Unterwerfung“

Man kann Houellebecq ja nie einfach mal lesen, ohne vorher bereits auf die Skandale des Buches hingewiesen worden zu sein. Das war jetzt bei „Unterwerfung“ (Amazon-Partner-Link) natürlich noch einmal mehr der Fall. Er schreibt von einem islamisierten Frankreich, Kampf der Kulturen, islamfeindlich, etc. pp.

Nun muss ich auch klarstellen: Ich halte Houellebecq mit Sicherheit nicht für einen sympathischen Autoren und dass der Skandal bei ihm zum Programm gehört, das muss man auch nicht mögen. Ebenso sind seine „Helden“ eigentlich immer absolute Kotzbrocken oder ausgemacht peinliche Verlierer. Auch das muss man nicht mögen. Mich selbst schmerzt es auch sehr, dass er als Autor und als Mensch mit seiner Bekanntheit sich nicht mal vernünftig und widerspruchsfrei äußern kann. Die Chancen stehen gut, dass er ein ausgemachtes Arschloch mit äußerst weltfremden und/oder dummen Vorstellungen ist. Was ihn aber selbst dann noch lesenswert macht, ist, dass man sich seinen Figuren nur sehr schwer als Mensch nähern kann und es beim besten Willen nicht so wirkt, als hätte er sie aus anderem Grund erschaffen. Abgesehen von „Karte und Gebiet“, das ich sehr langweilig fand, traf auf die bisherigen Bücher von Houellebecq für mich vor allem eines zu:

Wenn man von Houellebecq mal hundert Seiten oder mehr am Stück liest, ist der komplette Tag im Arsch und jegliches Restvertrauen in die Menschheit erloschen.

Das klingt irgendwie nicht sehr positiv, ja vielleicht ist es das sogar wirklich nicht, aber ich komme nicht umhin, eine Literatur, die eine derart imposante Wirkung auf mich als Leser hat, genial zu finden. Houellebecq ist nun echt nicht der erste Autor, bei dem man sich nicht mit seinen Helden gemein machen muss, um die Geschichten interessant zu finden.

Und nun, ist „Unterwerfung“ das antiislamische Dreckswerk und verkappte Faschismuswerbung?

Wenn man sich die Ansichten des Hauptprotagonisten zueigen macht: Ja. Wobei: Eigentlich auch nein. Der „Held“ François ist einer der typischen Houellebecq-Loser, der als atheistischer Hochschullehrer während des islamischen Umschwungs in Frankreich seinen Job verliert. Und damit im Gegensatz zu den Opfern der gewalttätigen Auseinandersetzungen während dieser Zeit eigentlich gut leben kann. Seine Beziehungen bestehen eh nie lange, er denkt öfter mal über Selbstmord nach und hat irgendwie akzeptiert, dass er als übellauniger Alkoholiker den Zenit seines Lebens überschritten hat. Und am Ende des Buches stellt er fest, dass sich ihm ganz neue Chancen auftun würden, würde er – ähnlich wie viele (eigentlich Rechte) im Hochschulbetrieb – zum Islam konvertieren. Denn dann könne er sich endlich auch mehrere teils minderjährige Ehefrauen halten und vielleicht wieder besseren Sex bekommen.

OK. Der „Held“ des Romans ist also ein frauenfeindliches alkoholabhängiges Arschloch, das opportunistisch selbst einen ihm fremden Glauben annehmen will, um 15-jährige zu vögeln. Da bleibt wohl schon mal anzumerken, dass diejenigen, die sowas als Identifikationsfigur betrachten, mal einen gewaltigen Schritt zurück in den eigenen Seelenhaushalt machen sollten.

Und dann der Islam und die Gesellschaft … Ich hatte zwar ganz ehrlich den Eindruck, als hätte Houellebecq sich ziemlich mit dem Thema gequält und die islamische Umstrukturierung Frankreichs nur sehr kurz und relativ oberflächlich abgehandelt (also zumindest im Vergleich dazu, wie das Thema vom Klappentext bis zu den Pressemeldungen thematisiert wurde), aber von der Sache her ist da gar nicht viel seltsames zu lesen. Mal abgesehen davon, dass sich aufgrund der Erzählung aus Sicht des bekloppten François das meiste um die Polygamie dreht. Ansonsten nennt Houellebecq vermeintliche Vor- und Nachteile dieses Wandels und im Wesentlichen kommt dabei halt rüber, dass eine menschenverachtende Gesellschaft entsteht. Was sich aber gar nicht konkret aus den Eigenschaften des Islam herleiten lassen muss, sondern auch beispielhaft steht für die Übernahme einer pluralistischen Gesellschaft durch eine irrationale Glaubenslehre.

Man ist nach der Lektüre als Atheist durchaus geneigt, dem Autoren zu glauben, wenn er – wie wohl geschehen – behauptet, er habe von Moslems keine negative Kritik bekommen, „warum auch?“.

Wie gesagt: Ich werde Houellebecq sicher nicht freisprechen von den Vorwürfen, die teilweise von Kritikern kommen, die analytisch deutlich mehr drauf haben als ich. Vielleicht ist er wirklich ein Arschloch, vielleicht propagiert er wirklich die Ideen von Arschlöchern. Ich kann es leider nicht ausschließen.

Ich für meinen Teil hab das Buch als versteckt satirische Gesellschafts- und Religionskritik lesen können. Die Zustände, die in dem Buch geschildert werden, sind schlimm. Ich würde sogar sagen: Sehr schlimm. Aber ja, das ist das, was ich über eine Einführung der Scharia auch zuvor gedacht habe. Und die Vorstellung, dass sich Rechte opportunistisch mit Islamisten zusammentun, übersteigt meinen persönlichen Bullshit-Horizont. Warum es jetzt schlimm sein soll, dass ein Autor ein versoffenes Arschloch erschafft, das der Idee am Ende was abgewinnen kann – bitte wo ist hier der Skandal?

8 Comments

Filed under Medien

8 Responses to Gelesen: Houellebecqs „Unterwerfung“

  1. Mir hatte damals Platform ganz gut gefallen, wenngleich auch eine sehr verquerte Schreibe.

    Grüße aus Dresden

    Philipp

  2. Jens

    Ohne das Buch gelesen zu haben: Wenn die Religionskritik ausschließlich an einem einzigen (noch dazu im hiesigen Kulturraum eh schon kontroversen) Subjekt abgehandelt wird, kann das natürliche eine Einladung zu einschlägigen Interpretationen im Sinne der Verteidigung des christlichen Abendlandes sein.

    Insofern klingt es für mich so, als habe Houellebecq eine dementsprechende Auslegung zumindest billigend in Kauf genommen, um durch die Kontroverse maximale Publicity erzielen zu können.

    Aber, wie gesagt, das ist natürlich eine reine Ferndiagnose, da ich das Buch selbst noch nicht gelesen habe.

  3. @Pilipp:
    Ich war immer mehr Freund von „Elementarteilchen“ und „Die Möglichkeit einer Insel“.

    @Jens:
    Das ist von der Sache her eine gute Idee. In Bezug auf das Buch würde ich das aber nur schwer gelten lassen. Denn: Zum einen wird die kulturelle Übernahme recht nüchtern dargestellt. Auf der einen Seite gibt es Probleme, auf der anderen klappt auch vieles. Es gibt Gewinner und Verlierer – wobei natürlich auch ich kritisch anmerken muss, dass es wenn dann vor allem um Verliererinnen geht – so sinkt z.B. die Arbeitslosigkeit, weil Frauen nicht mehr arbeiten dürfen. Aber das ist nunmal Teil dieser Umwälzung und sicher nicht weit hergeholt, wenn man sich die Scharia-Befürworter anschaut. (Und auch das muss man ja mal deutlich sagen: Das Szenario ist eine Übernahme Frankreichs durch Islamisten, nicht nur gemäßigte Muslime. Hab ich auch nur bedingt getan, sorry.)
    Und zum Aufhängen an einem Motiv (Ich nehme an, Du meinst die von mir angesprochene Polygamie): Da muss man eben auch bedenken, dass sie wie gesagt von einem Idioten gelobt wird.
    Ich fände ein unkommentiertes „Heil Hitler!“ in einem Buch natürlich als Aussage eines Autoren nicht tragbar. Aber wenn jemand einen Roman über einen dümmlichen SS-Gehilfen schreibt, der menschenfeindlich und verbrecherisch agiert, dann darf dieser das natürlich sagen, ja muss er eigentlich sogar. Und auf diesem Fehler beruhen sicher einige Houellebecq-Kritiken.
    Aber obwohl ich das Buch nun gelesen hab, kann ich auch dem Autor keine umfassende Absolution erteilen oder die Vermutung widerlegen, es sei eine Marketing-Idee gewesen. Was schade ist. Denn mit deutlichen Aussagen Houellebecqs zusammen könnte man wesentlich besser Stellung beziehen.

  4. Jens

    Mit dem „einen Thema“ hatte ich eigentlich den Islam gemeint. Schließlich könnte man Religionskritik auch an jeder anderen Religion (oder allen gleichzeitig) betreiben.

    Einerseits ist es natürlich naheliegend und legitim, sich für so eine Geschichte eine Religion zu nehmen, deren Fundamentalisten gerade tatsächlich anderswo autoritäre Gottesstaaten errichten; und die Frage, wie eine freie Gesellschaft mit Menschen umgehen soll, die einen großen Teil dieser Freiheiten ablehnen, ist auch interessant und wichtig,
    Andererseits wird genau das Szenario einer bevorstehenden „Islamisierung des Abendlandes“ ja immer wieder von rechten Rattenfängern ins Spiel gebracht (die damit dann letztlich auf alle Muslime zielen und nicht nur auf Islamisten). Insofern garantiert die Themenwahl maximale Kontroverse, insbesondere dann, wenn Houellebecq keine klar zu definierende Haltung zeigt.

    Immerhin hast Du mich jetzt auf das Buch neugierig gemacht; ich werd’s demnächst wohl mal lesen, damit ich besser weiß, wovon ich rede. 😉

  5. @Jens:
    Das klingt gut. 🙂
    Ich stimme Dir auch so gesehen zu, dass es natürlich fraglich ist, warum es der Islam sein musste. Andererseits ist halt auch da wieder die Frage: Warum nicht? Siehe deinen eigenen Kommentar; am Öl-ins-Feuer-gießen liegt mir natürlich auch nix, das ist ja klar.

  6. Franky

    Himmel, wo kommen wir hin, wenn jemand ungeniert und ungestraft den Islam kritisieren darf, ohne mindestens dreimal so viel das Christentum zu kritisieren? Ein Gesetz muss her welches Islamkritik verbietet, wenn es mehr als 10 % einer allgemeinen Religionskritik ausmacht. Oder am besten gleich komplett unter Strafe stellt. Ich empfehle Steinigung als Urteil, wie es eine gewisse Religion des Friedens vormacht.

  7. Jens

    @Franky: Schöner Strohmann, den Du da aufgebaut hast. Macht’s Spaß, mit ihm zu diskutieren?

  8. @Jens:
    Er hat dabei immer großen Spaß, das ist wirklich lustig zu beobachten. Man fühlt sich ein bisschen wie good old Sielmann.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert