Die Prämisse, dass auch das
Jurastudium sehr viel Auswendiglernen erfordert, soll anhand eines kleinen
Beispiels aus dem Rücktrittsfolgenrecht dargestellt werden. Gerade dieses Gebiet enthält eine Vielzahl an
Problemen und Meinungsstreitigkeiten, die man sich nicht erschließen kann, wenn
man sich nicht intensiv damit beschäftigt und die Einzelheiten durch
Auswendiglernen verinnerlicht hat.
Man nehme an, dass ein
Käufer eine Sache kauft und sodann feststellt, dass er wegen eines unbehebbaren
Mangels vom Kaufvertrag zurücktreten kann.
Dennoch benutzt er die Sache weiter, da er den Rücktritt erst am
nächsten Tag erklären will. Wie es in
Klausuren so oft geschieht, wird die Sache sodann beim Käufer zerstört und geht
unter. Erst danach erklärt er den
Rücktritt vom Vertrag und verlangt seinen Kaufpreis zurück. Der Verkäufer will aber nichts zurückzahlen,
wenn er keinen Ersatz erhält.
Der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises ergibt sich aus §§ 434, 437 Nr. 2, 323 I, 326 V, 346 I BGB. Das ist insoweit unproblematisch und kann aus dem Gesetz abgeleitet werden.
An dieser Stelle muss man nun den Einwand des Verkäufers berücksichtigen, dass er nichts zahlen wolle. Man muss also wissen, dass er möglicherweise Gegenansprüche aus dem Rücktrittsfolgenrecht haben könnte, die er gegen den Rückzahlungsanspruch einwenden könnte.
Wie aber sind diese Ansprüche zu berücksichtigen?
Die
Antwort lautet: Der Verkäufer muss eine Aufrechnung erklären. Wer sich diesen Ablauf nicht eingeprägt hat,
wird nun hilflos nach (Ab)Wegen suchen, um den Anspruch des Käufers zu Fall zu
bringen.
Ein aufrechenbarer Anspruch des Verkäufers könnte dann in einem Wertersatz gem. § 346 II 1 Nr. 3 BGB bestehen. Hier ist die Sache zerstört worden und damit untergegangen.
Wie aber sieht es bei einem Diebstahl aus?
Auch
dieser sei nach herrschender Ansicht von der Vorschrift in analoger Anwendung
umfasst, denn das ergebe sich aus dem Charakter der Vorschrift als
Gefahrtragungsregel, weshalb auch andere Formen der Unmöglichkeit der
Rückgewähr zu einem Anspruch führten. Es
liegt also wiederum eine Konstellation vor, die man einmal gelesen haben und
sich sodann einprägen muss.
Der Anspruch auf Wertersatz
entfällt allerdings nach § 346 III 1 Nr. 3 BGB beim gesetzlichen
Rücktrittsrecht, wenn der Käufer die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten
beachtet hat, § 277 BGB (diligentia quam in suis; auch die lateinischen
Floskeln muss der Student lernen, da mancher Prüfer diese hören möchte).
Jetzt beginnt die eigentliche Problematik des Falles erst. Denn nun muss man unterscheiden, ob der Käufer zur Zeit des Untergangs der Sache den Rücktritt schon erklärt hatte.
Falls nicht, stellt sich die Frage, ob ihm die Haftungserleichterung des § 277 BGB überhaupt zukommen soll.
Ist das auch der Fall, wenn er Kenntnis von den Umständen hatte, die zum Rücktritt führten?
Eine Ansicht nimmt in der Tat eine teleologische Reduktion des § 346 III 1 Nr. 3 BGB an, weshalb ein Wertersatz geschuldet sei, wenn schon eine einfache Fahrlässigkeit vorliege, sodass es auf die eigenübliche Sorgfalt nicht ankomme.
Nach herrschender Meinung stamme die Ursache
des Rücktritts in dem Sachmangel jedoch aus dem Verantwortungsbereich des Verkäufers,
weshalb bei Beachtung der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten auch keine
Wertersatzpflicht gegeben sei. Somit
kann man hier eine Haftung des Käufers verneinen, wenn er diese Sorgfalt
beachtet hatte.
Als nächstes könnte dem Verkäufer dann ein Schadensersatzanspruch zustehen. Dieser solle sich nach herrschender Meinung nicht aus §§ 346 IV, 280 I, III, 283 BGB ergeben, da kein Rückgewährschuldverhältnis bestehe und somit keine Rückgabeplicht bestanden habe (was selbstverständlich in der Literatur umstritten ist).
Allerdings sei ein Anspruch aus §§ 280 I, 241 II BGB denkbar, denn falls ein Rücktritt noch möglich sei, müsse der Schuldner sorgsam mit der Sache umgehen.
Auch hier
ist wieder sehr strittig, wann eine solche Pflicht entsteht. Nach einer Ansicht sogleich mit Austausch der
Leistungen, nach anderer Meinung erst ab Kenntnis des Rücktrittsrechts und nach
wiederum anderer Auffassung bereits bei fahrlässiger Unkenntnis vom
Rücktrittsgrund. Will man hier ernsthaft
behaupten, dass diese Einzelheiten mit einem bloßen Systemverständnis
reproduziert werden können?
Weiterhin stellt sich die Frage des Haftungsmaßstabs.
Nach einer
Ansicht soll derjenige des §§ 346 III 1 Nr. 3, 277 BGB analog auch hier
gelten. Nach überwiegender Meinung aber
sei keine solche Haftungsmilderung gegeben, denn § 346 IV BGB verweise allein
auf die Vorschriften der §§ 280 ff. BGB ohne eine Privilegierung. Auch insoweit kann man die Lösung des Falls
nur entsprechend gestalten, wenn man die verschiedenen Ansichten und einige
Argumente auswendig gelernt hat. Das
Ergebnis ist dann allerdings wie regelmäßig unerheblich, solange man nur die
Probleme diskutiert hat.
Als Fazit dürfte dieser vom
Tatsächlichen her völlig einfach gelagerte Fall deutlich gemacht haben, dass es
in der Juristerei mit einem einfachen Systemverständnis nicht getan ist. Vielmehr müssen auch Juristen in der
Ausbildung einen enormen Aufwand an Auswendiglernen betreiben, um erfolgreich
zu sein.
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