Konrad Paul Liessmann macht sich Gedanken über die Schule

„Nirgendwo wird so gerne über Utopien, bessere Rahmenbedingungen, ideale Betreuungsverhältnisse, innovative Didaktiken, neue Möglichkeiten, Aufgaben und Herausforderungen schwadroniert wie in Fragen der Bildung,“ behauptet Konrad Paul Liessmann. Und nirgendwo hält sich die hartnäckige Klage länger, dass sich nichts ändert, alles erstarrt und verknöchert ist, frontal vorgetragen wird, was dann auswendig gelernt werden muss, selektiert statt gefördert wird, alles verstellt und blockiert wird durch Überbleibsel aus der Vergangenheit, die endlich beseitigt werden müssen. Tatsächlich gibt es, vielleicht mit Ausnahme der katholischen Kirche, keine Institution, die so sehr unter Verdacht steht, sich allen Veränderungen zu verweigern, wie die Schule. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

Wilhelm von Humboldt unterscheidet drei Unterrichtsstadien

Scheinbar passt sich die Schule den rasanten Entwicklungen der Gesellschaft nicht an. Konrad Paul Liessmann weist darauf hin, dass erfolgreiche Institutionen wenig Grund haben, sich ständig zu verändern. Dass eine Einrichtung sich kaum wandelt, kann auch als Indiz für ihre Sinnhaftigkeit und Funktionalität interpretiert werden. Und es wäre doch möglich, dass der Unterricht ein kommunikatives Verfahren darstellt, das aufgrund seiner Logik nur wenig Modifikationen und Variationen zulassen kann, ohne zu versagen.

Aktuell ist das Eingeständnis verpönt, dass die Schule zwar manches leisten, aber nicht jedes Defizit der Gesellschaft ausgleichen kann. Wilhelm von Humboldt hat einmal folgende Überlegung angestellt: „Philosophisch genommen kann es nur drei Stadien des Unterrichts geben: Elementarunterricht, Schulunterricht und Universitätsunterricht.“ Es gibt danach also eine Grundschule, in der die Schüler all jene Kulturtechniken vermittelt bekommen, die es erlauben, sich überhaupt in einem umfassenderen Sinn Wissen anzueignen.

Österreich und Deutschland haben ein gegliedertes Schulsystem

Dann gibt es eine mittlere Schule, in der man mit kundiger Hilfe in die verschiedenen Wissensgebiete eingeführt wird. Und es gibt Hohe Schulen, in denen die Studenten lernen, selbstständig Wissen zu erwerben und neues Wissen hervorzubringen. Die Logik des Unterrichts und des Unterrichtens und damit die institutionellen Rahmenbedingungen gehorchen diesen Unterscheidungen. Wilhelm von Humboldts Konzept beschreibt also die zentralen Aufgaben der Schulen. Heute sind allerdings die nahezu schon ritualisierten Klagen unüberhörbar, dass es offenbar mit der Vermittlung notwendiger Kulturtechniken wie Lesen und Rechnen, Argumentieren und Denken nicht zum Besten bestellt ist.

Konrad Paul Liessmann stellt fest: „Die diesbezüglichen Schwächen vor allem von Kindern aus sogenannten bildungsfernen Schichten sind auch steter Anlass für umfassende Besorgnis. Dafür hat man rasch eine einfache Erklärung zur Hand: In Österreich, aber auch in Deutschland, den letzten Ländern mit einem gegliederten Schulsystem, werde Bildung eben >vererbt< – und dagegen helfe nur die Gesamtschule.“ Die Floskel, nach der Bildung vererbt werde, suggeriert folgendes: Die Schichten, die im Besitz der Bildung sind, hüten diese offenbar wie einen Schatz, geben sie nur an ihre Kinder weiter und lassen andere nicht an sie heran. Quelle: „Geisterstunde“ von Konrad Paul Liessmann Von Hans Klumbies