Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Griechenland

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Nichts muss Angela Merkel vor der Sommerpause
mehr fürchten als die mögliche Entscheidung des Bundestages über ein
drittes Hilfspaket für Griechenland. Weitere 30 bis 50 Milliarden
Euro der Geldgeber wären dann im Spiel. Wahrscheinlich bekäme die
Regierungschefin in ihrer Unionsfraktion allenfalls eine knappe
Mehrheit, weil die Zahl der Abweichler bei CDU und CSU sehr hoch
wäre. Das würde Merkels Position schwächen – in Deutschland und
Europa. Europa hat sich erpressbar gemacht. Griechenlands Ausstieg
aus dem Euro, den »Grexit«, zum Tabu zu erklären, war ein großer
Fehler des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker. Als
überzeugter Eurozentrist will er diesen Schritt zwar ausschließen,
aber er hat die Verhandlungen zwischen der Troika und der
griechischen Regierung frühzeitig und ganz grundsätzlich erschwert.
Alexis Tsipras und Giannis Varoufakis mussten Junckers weitestgehende
Einlassung als Einladung zu einem Pokerspiel verstehen, das sie nicht
verlieren können. Da haben sie sich getäuscht, denn ein »Grexit« ist
in der Eurogruppe kein Tabu mehr. Die Bereitschaft ist gering, den
bereits nach Athen geflossenen 250 Milliarden Euro noch einmal 50
Milliarden hinterherzuschicken – wenn die Gegenleistung als
Wirtschaftsreform nicht erbracht wird. Niemand traut der
populistischen Koalitionsregierung aus Linken und Rechten einen Kurs
zu, der im Gegensatz zu Programm und Wahlversprechen steht. Syriza
setzt auf mehr Staat und mehr Schulden, um sozialistische Politik zu
machen. Zur Not mit einer Volkabstimmung, deren Ergebnis
gleichbedeutend mit dem Euro-Austritt sein könnte. Während sich die
Eurozone auf einen »Grexit« vorbereitet sieht und keine
Ansteckungsgefahren mehr fürchtet – Griechenlands Wirtschaftsleistung
im Euroraum beträgt nur knapp zwei Prozent -, drängen die USA auf
eine Einigung mit dem Krisenstaat. Dabei nehmen die USA auch den von
ihnen kontrollierten Internationalen Währungsfonds (IWF) in die
Pflicht. Barack Obama fordert, dass sich der IWF auch an einem
dritten Rettungspaket beteiligen soll – wenn die Griechen mitmachen
und den Schuldnern entgegenkommen. Offenbar fürchten die Berater des
US-Präsidenten die Folgen eines »Grexit« für die Finanzmärkte. Im
Gegensatz zu den USA verlangen Schwellenländer wie Brasilien einen
Ausstieg des IWF aus der Griechenlandhilfe. Aus ihrer Sicht bekommt
das kleine Land zu große Summen. Da der Verbleib Griechenlands im
Euro eine politische Entscheidung ist, dürften auch die Resultate der
spanischen Kommunalwahlen eine Rolle spielen. Der Linksruck ist ein
Vorzeichen für die Parlamentswahlen im Herbst. Und das macht Europas
Bereitschaft zum »Grexit« sogar wahrscheinlicher. Wenn die Geldgeber
jetzt nicht hart bleiben, machen sie direkten Wahlkampf für die
spanischen Linkspopulisten.

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261



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