Auf der Lesebühne ‚Get Shorties‘ ist die Autorin Carolin Hafen schon seit mehreren Jahren Gast. Um ihren neuen Fantasy-Roman, ‚Drachenbrüder‚, den sie unter dem Namen C.M. Hafen veröffentlich hat, zu bewerben, hat sie sich jedoch ins ‚Neuland‘ begeben: Eine entsprechende Lesung fand in der virtuellen Welt von ‚Second Life‚ statt. Das hielten wir für so spannend, dass wir ihr dazu ein paar Fragen gestellt haben.

Kulturkater: Wie bist du an diese virtuelle Lesung gekommen?

Carolin: Zuerst hat meine Verlegerin angefragt. Und ich habe prompt aus Unsicherheit abgesagt; Merkels Neuland. Huch, wie geht das? Dann hat Thorsten Küper persönlich bei mir angefragt, und die ganze Sache entmystifiziert. Ich habe den Second Life Viewer herunter geladen, einen kostenlosen Account angelegt und Thorsten sagte: „Du brauchst Kopfhörer.“ Und dann war ich da. Mein Monitor hat ein integriertes Mikro, nach zwei Minuten Einführung konnte ich quatschen, sitzen und mich in Second Life bewegen. Alles gar nicht so wild.
Das man sich da Gebäude und ganze Landstriche gestalten kann, begreife ich allerdings immer noch nicht. Ich habe nie irgendwelche Computerspiele gespielt, kann also auch keinen Vergleich zu den SIMS oder ähnlichen virtuellen Welten stellen. Ich staune einfach nur. Wer sich nun in Second Life auskennt und merkt, dass ich den Fachjargon nicht beherrsche, der möge mir verzeihen.

Wie lief sie (technisch) ab?

Die Literaturgruppe „Brennende Buchstaben“, die es soweit ich weiß seit 2008 gibt, organisiert jedes Jahr ein EBook-Event über drei Wochen mit Lesungen und sogar einer Schreibwerkstatt. Wie gesagt, Thorsten Küper war mein Ansprechpartner, er hat mich eingeladen und in Second Life teleportiert, damit ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin.
Burkhard Tomm-Bub, der an dem Abend mein Gastgeber war, hat meinem Avatar noch ein Gimmick gebastelt: Am Schluss hatte mein Avatar ein Buch in der Hand mit meinem Buchtitel drauf, und mein virtuelles Ich hat fleißig so getan, als würde sie lesen und umblättern. Vorher habe ich mir aber, zur Erheiterung der Anwesenden, einen Würfel angezogen. Das gehört wohl zur Feuertaufe. Unsinnig etwas aus dem Inventar zu nehmen und dem Avatar überzustülpen. Thorsten sagte mir nach der Lesung noch, dass ich die Autorin Nummer Hundert sei, die hier im Rahmen des EBook-Events lese. Hundert Autoren nach Second Life zu holen – das ist schon eine Leistung. Ich hatte mein Mikro und meine Kopfhörer und las also über „Voice“, während die ca. 30 Zuhörer über den Gruppenchat kommunizierten. Vor der Lesung wurde ich noch kurz interviewt und vorgestellt, anschließend habe ich 40 Minuten aus meinem Roman gelesen. Hinterher war noch Zeit für Fragen.

Du hast ja schon einiges an Lesungserfahrung, wie hat sich diese Lesung von deinen Realwelt-Auftritten unterschieden?

Ja, das stimmt. Ich bin seit fünf Jahren mit der get shorties Lesebühne im Raum Stuttgart unterwegs. Das möchte ich auf keinen Fall missen. Diesen direkten Zugang zum Publikum. Ich bin im Netz auf meine Stimme reduziert, meine Gestik und mein Auftreten übertragen sich nicht auf den Avatar. Das Lesen geschah mit viel weniger Ablenkung;
Keine Handys, die plötzlich klingeln, kein Husten im Zuschauerraum, keine knisternden Chipstüten. Allerdings fehlt auch meine Resonanz. Bei einer Real-Lesung höre ich sofort, ob ein Scherz ankommt, und ob ich Pause machen muss, ob die Zuhörer gelangweilt auf ihren Sitzen hin und her rutschen oder angespannt lauschen. Am Schluss schreiben die Zuhörer ins Chatfenster „Applaus“ und drücken aus ob und wie es ihnen gefallen hat. Ich finde diese Art der Literaturveranstaltung ist eine schöne und sinnvolle Ergänzung, aber kein Ersatz für die klassische Lesung. Wie das EBook oder das Hörbuch – schön zu haben, aber nicht ausschließlich. Meine Bücher zum Anfassen würden mir genauso fehlen wie das Schwitzen im Scheinwerferlicht.

Setzt sich das Publikum dort völlig anders zusammen?

Ich glaube nicht, dass sich die Second Life Zuhörer von anderen Literaturbegeisterten unterscheiden. Meine Lesung fand am Sonntagabend statt – sie mussten sich also entscheiden: Einer Lesung lauschen oder Tatort gucken. Ich möchte nichts schlechtes gegen den Tatort sagen. Mich verblüfft es nur immer wieder, wie viele Leute sich gegen den Fernsehabend entscheiden. Mit der get shorties Lesebühne lese ich auch oft am Sonntagabend. Wenn wir dann an einem Ort wie dem Lapidarium in Stuttgart lesen, kommt es mir vor, als würde die Zeit verschwinden. Die Leute machen es sich gemütlich, mit Decken, Vesper und Bier. Es ist ein großes Picknick. Nur das Lagerfeuer fehlt. Die SL-Zuhörer haben doch was ganz ähnliches; die heimelige Atmosphäre, einen Tee dabei oder Knabberzeug, die Katze auf dem Schoß und jemanden, der ihnen vorliest. Das ist doch großartig. Und dabei ist es völlig egal wo wir uns befinden. Timbuktu ist genauso nah wie Schwäbisch Gmünd.

Würdest du so eine Lesung noch einmal machen?

Jederzeit.

Der Kulturkater dankt für das Gespräch!

Photo: C. M. HafenÜber Carolin Hafen: Schwabe; gebürtige Zweiundachtziger. Drittgeborene, konservativ erzogen, liberal geraten, von der Vergangenheit geprägt. Arbeitet mit der Sippe im Bauwesen; Malen nach Zahlen bekommt so eine Bedeutung. Schreibt aus Besessenheit, weil sie nichts anderes kann. Oder will. Lebt fürs schreiben, schreibt fürs Leben gern, lebt ihr Schreiben, unter anderem auf dieser und folgender Webseite! Dazu tritt sie regelmäßig auf der ‚Get Shorties‘ Lesebühne in Stuttgart auf.

Cover: Das Drachenvolk von Leotrim – DrachenbrüderÜber ‚Das Drachenvolk von Leotrim – Drachenbrüder‘: Unter den Millionen Augen der Lichter lebt das Drachenvolk von Leotrim. Der Drache Norwin hat einen schwierigen Start ins Leben. Eine Amme lässt sein Ei versehentlich fallen, die Schale ist beschädigt, ein Flügel verletzt. Der Mutter ist klar, er wird nie fliegen können. Als er alt genug ist, kommt sein menschlicher Vater, um ihn bei den Menschen als Halbgebürtiger leben zu lassen. Die Mutter muss darauf hoffen, dass die jahrhundertealte Verbindung zwischen den Völkern ausreicht, um Norwin einen Platz in ihrer Mitte finden zu lassen. Anfänglich hat sein halbgebürtiger Bruder Ambro Schwierigkeiten, etwas mit seinem Drachenbruder anzufangen. Die beiden passen nirgends hin. Jeder in Leotrim hat seinen Platz, seine Aufgabe. Diese beiden müssen nun selbst herausfinden, wofür sie gut sind.

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